Texte

SZ vom 13.11.2011

Von Laura-Patricia Montorio


Erding - Vera Zolyniaks Klaviertastatur ist übersät mit bunten Stickern, auf denen Tierköpfe abgebildet sind. Die kleinen Finger der achtjährigen Luisa Kronseder suchen die richtigen Tasten. Die Grundschülerin mit den zwei geflochtenen Zöpfen nimmt heute erst ihre vierte Unterrichtsstunde, kann sich aber schon selbst ein Geburtstagsständchen spielen.


Vera Zolyniak hat ihre Unterrichtsmethode auf die Bedürfnisse von Kindern ausgerichtet. In der ersten Unterrichtsstunde erzählt die russische Pianistin ihren jungen Schülem eine Geschichte von Tieren, die in einer bestimmten Reihenfolge aus dem Zirkus ausbrechen. Die Anfangsbuchstaben der Tiere, denen jeweils eine Farbe zugeordnet ist, stehen für die Notenwerte der Tonleiter und die entsprechenden Tasten auf dem Klavier.


Den Drill, den sie selbst erfahren musste, wollte sie ihren Töchtern ersparen.


Diese anschauiche Lehrmethode ermögliche es, schon Kindern ab drei Jahren, die weder Buchstaben, geschweige denn Noten lesen können, spielerisch das Musizieren mit dem Klavier beizubringen, erklärt Zolyniak. Sie kramt eine Kiste hervor, in der sich Tierfiguren, ein Symbolwürfel, Knete oder ein Minipiano befinden. Mit diesen zusätzlichen Spielmaterialien werde das Grundwissen gefestigt. 



Der Umstieg auf das nomale, schwarz-weiße Notensystem erfolge ganz individuell, je nach Alter und Lerntempo.

Die Umstände, unter denen Zolyniak selbst das Klavierspielen erlernt, hat sie weniger erfreulich in Erinnerung behalten: „Der Unterricht, den ich als Kind in Russland bekam, war streng, mit viel Drill, wie man es vom Turnen oder Eiskunstlaufen kennt. Ich habe mich damals gelangweilt - das hätte mir beinahe die Freude am Musizieren geraubt.”


Ihren beiden Tochter wollte die Pianistin mehr Freude am Klavierspiel vermitteln, indem sie Farbe und Fantasie in den Unterricht integrierte: „Ich hatte mich damals für meine Kinder sogar als Klavierlehrerin Frau Eisenstück verkleidet und mit Kostüm und Perücke an unserer Haustür geklingelt. Die Nachbarn dachten bestimmt, ich spinne", lacht Zolyniak. Nach und nach kamen Farben, Tiere und die Zirkusgeschichte hinzu. So entstand das Unterrichtssystem, nach dem die Klavierlehrerin seit diesem Schuljahr (2011) in Erding unterrichtet. Ihr Mann hat sie bei der Umsetzung der Unterrichtsmaterialien unterstützt und eine Internetseite gebaut (www.klavienunterricht-erding.de). Acht Kindern bringt sie gerade das Spiel auf den Tasten bei, das jüngste ist erst dreieinhalb Jahre alt. Vera Zolyniak fordert leidenschaftlich, dass jedes Kind ein Instrument lernen sollte, denn „wenn man Musik liebt, kann man nichts falsch machen. Musik hilft einem mit dem Leben klar zu kommen.“ Dann wendet sie sich wieder ihrer Klavierschülerin Luisa zu, die weiter ihr Geburtstagslied übt, und korrigiert vorsichtig deren Armhaltung. 


Fotounterschrift: Vera Zolyniak bringt Farbe auf die schwarz-weißen Klaviertasten. Grundschülern Luisa Kronseder kann in ihrer vierten Klavierstunde schon ein Geburtstagsständchen zum Besten geben. Foto: Peter Bauersachs 


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